Wer bin ich? Wenn ja, wieviele? Und wo zur Hölle ist mein Raumschiff?
Ich habe ADHS, ich habe viele Hobbies. Es gibt aber zwei Dinge die ich „Sapiosexy“ nenne. Es sind wohl die zwei herausragendste Dinge: Philosophie und Astronomie. Beide haben viele Gemeinsamkeiten: Auslegungssache, Imagination, Ungewissheit und vor allem Grenzenlosigkeit.
„Die Gedanken sind frei,
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, 1842
Wer kann sie errathen?
Sie rauschen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wißen,
Kein Jäger sie schießen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.“
Wir mit unseren Zeitlich-limitierten-Zellen-Lebensgemeinschaft, sitzen auf einem Klumpen gepressten Kohlenstoffs und rasen mit 100.000km/h vom Nichts ins Nichts (und noch viel weiter). Die Menschheit wurde immer von beiden Themen getrieben. Astronomie – Dinge die sichtbar um uns herumgeschehen, Philosophie – Gedankenansätze, Weisheiten, Interpretationen. Dem Wald-und-Wiesen-Feldarbeiter waren beide Themen zu abstrakt und es wurde beides zu einem stupiden Schleim names „Religion“ gepanscht.
Ich hatte als Kind oft einen Traum: Ich lag mit dem Rücken auf einer Wiese, unter einem blauen Himmel mit Cummulus-Wolken (Das ist wohl der Grund warum ich Studio Ghibli so liebe). Die Wolken sind ja ein perfektes Beispiel für Vorstellungskraft. Im Traum waren die Wolken also Platformen, Elefanten, Drachen oder Außerirdische, zu denen ich beliebig fliegen konnte (Warum zur Hölle hat man als Erwachsener keine Flugträume mehr?!!).Vieleicht sollte ich noch erwähnen dass im Schlafzimmer meiner Eltern „La tentación de San Antonio“ oder die Versuchung des heiligen Antonios von Dalí hing. Dort lag ich oft wenn ich krank war und hohes Fieber hatte und stellte somit die Basis eines Fiebertraumes bereit. Vervollständigt wurden diese „deliriumartigen“ Fieberzuständen (die man scheinbar nur als Kind hat) durch ein Lied, das sich in mein Broca-Areal eingrebannt hat: „Bolero“ von Ravel. Wenn ich einen Fiebertraum beschreiben müsste, würde ich vermutlich dieses Bild zeigen und Bolero abspielen (oder Oh Fortuna und Hironymus Bosch).
Mein Traum war also (ich bin selbst überrascht, wie sehr ich immer abschweife): Ich liege auf der Wiese und schaue in den Himmel. Plötzlich setzt die Gravitation aus. Da man als Kind Gravitation mit „fallen“ verbindet, fing ich an in den Himmel zu fallen. Ich wurde immer schneller (da ich ja fiel), vorbei an den Drachen, Elefanten oder Wolkenstädten, immer weiter in das tiefe Nichts.
ich denke, das ist eine der Situationen in dem man als Kind, absolute Loslösung erfährt: Angst, Atemnot, alleine gelassen werden ohne Rückzugsmöglichkeit, ohne „Rückgängig“ mit der man sich aus der aktuellen Situation retten kann. Fuck, das ist ja das normale Leben als „Erwachsener“.Das war vermutlich das erste Mal, dass ich das Gefühl „herb“ erfahren habe. Was für surreales Gefühl …
Auch heute, wenn ich auf dem Rücken liegend in den Sternenhimmel sehe, habe ich schlagartig 2-3 Sekunden in denen ich Falle und das gleiche Gefühl habe, wie ich es als Kind hatte. Es ist aber mächtiger und chaotischer als damals, da ich Realität erfahren musste. Und dann kommen die Gedanken an „wer bin ich“ und „was ist da draußen“. Beides, ein unendlicher Interpretationspunkt.
Ich weiß nicht wo, aber ich hörte damals ein Interview von Neil de Grasse Tyson des Time-Magazins, welches mein Leben verändert hat. Der Reporter hat auf „Time“-Niveau eine einfache, dumme und „exploiting“ Frage gestellt, um seinen Gesprächspartner unsicher zu machen. Das war wohl der Moment in dem der Reporter das erste Mal so überrant wurde, dass es das Leben das Reporters für immer verändert hat. Vermutlich war es auch der Moment, die Situation, die meine Liebe zu Philosophie geweckt hat.
„Was ist die erstaunlichste Tatsache, die Sie uns über das Universum mitteilen können?“
Reporter, Time-Magazin 2008
Was erwartet man auf so eine Frage? Ist man wirklich bereit, offen, bewusst dea Ausmaßes, nicht nur der Frage-, sondern auch der Antwort wegen, was sich ab jetzt verändert?
Was würde wohl der astronomisch-philosophisch am besten ausgestattete Mensch dazu sagen? Es ist jetzt Zeit den Körper zu verlassen…
„Die verblüffendste Tatsache, die verblüffendste Tatsache ist die Erkenntnis, dass die Atome, aus denen das Leben auf der Erde besteht, die Atome, aus denen der menschliche Körper besteht, auf die Tiegel zurückzuführen sind, die in ihrem Kern unter extremen Temperaturen und Drücken, leichte Elemente in schwere Elemente umwandelten.
Diese Sterne, vor allem die massereichen, wurden in ihren späteren Jahren instabil. Sie kollabierten und explodierten, wobei ihre angereicherten…. Eingeweide über die Galaxie verstreut wurden.
Diese Eingeweide bestehen aus Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und allen grundlegenden Bestandteilen des Lebens selbst.
Diese Bestandteile werden Teil von Gaswolken, die kondensieren, kollabieren und die nächste Generation von Sonnensystemen bilden. Sterne mit Planeten, die sie umkreisen, und diese Planeten haben nun die Zutaten für das Leben selbst.
Wenn ich also in den Nachthimmel schaue, dann weiß ich: Ja, wir sind Teil dieses Universums, wir sind in diesem Universum, aber vielleicht noch wichtiger als diese beiden Tatsachen ist, dass das Universum in uns ist.
Wenn ich über diese Tatsache nachdenke, schaue ich nach oben – viele Menschen fühlen sich klein, weil sie klein sind und das Universum groß ist – aber ich fühle mich groß, weil meine Atome von diesen Sternen stammen. Es gibt eine Ebene der Verbundenheit. Das ist es, was wir im Leben wirklich wollen: Wir wollen uns verbunden fühlen, wir wollen uns relevant fühlen, wir wollen das Gefühl haben, dass wir an den Aktivitäten und Ereignissen um uns herum teilhaben. Das ist genau das, was wir sind, einfach dadurch, dass wir am Leben sind…“
Neil deGrasse Tyson, 2008 – In einem Interview des Time-Magazins.
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